Seit Monaten schon freuten wir uns auf diesen feststehenden Termin am 08. und 09. September in unserem Bierfestivalkalender. Endlich war es soweit: das wohl beste Brauerei Line-Up, das jemals einem Hopfenjünger sein Gebräu einschenken durfte, wartete nur darauf, unzählige Biere in unsere Verkostungsgläser fließen zu lassen. Das Who-is-Who der internationalen Craft-Beer Szene war auf Einladung der Beavertown Brewery in London zusammengekommen, um ein Bierfest der absoluten Extraklasse zu feiern: die Erstauflage der Beavertown Extravaganza.
Sage und schreibe 72 (!) Brauereien präsentierten sich an zwei Tagen auf einer Fläche von fast 8.900 qm in einer ehemaligen Zeitungsfabrik den täglich erscheinenden 4.000 Besuchern. Dazu noch bestes Streetfood in absoluter Top-Qualität. Jeder Brauerei standen jeweils zwei Taps zur Verfügung. Somit wurden die Biere im rotierenden System ausgeschenkt. Daher bestand natürlich die Möglichkeit, dass man das ein oder andere der annähernd 500 Biere auch mal verpassen konnte. Vor allem an den Ständen, an denen sich permanent lange Schlangen bildeten. Dem gemeinen Engländer macht das nichts aus, er steht ja gerne an. Wir hatten uns jedoch gut vorbereitet, indem wir eine Bierliste mit den 150 interessantesten und daraus zusätzlich noch eine mit 40 vermeintlichen Top-Knallern zusammenstellten, die wir auch unbedingt abarbeiten wollten. Soviel sei verraten: wir haben fast alle Biere bekommen, die wir haben wollten.
Der Begriff „Exzeptionaliät“ bekam auf der Extravaganza nicht nur aufgrund des unglaublich hohen Niveaus der ausgeschenkten Biere eine neue Bedeutung – es wurde nach langer Zeit mal wieder ein Bier von uns mit einer 5*Sterne-Wertung auf Untappd honoriert! Es handelte sich um das 3 Candles von Side Project Brewing aus St. Louis, Missouri (USA). Ein unglaublich geschmacksintensives und komplexes Bier, das mit diesem Begriff an sich eigentlich nichts mehr gemein hat. Es ist ein Imperial Stout, das für 32 Monate in Four Roses Bourbon-Whiskey Fässern gereift und anschließend noch mit Kokosnuss und mexikanischen Vanilleschoten abgerundet wurde. Ein wahr gewordener flüssiger, an Sirup erinnernder, Schoko-Traum in schwarz. Und es kommt sogar noch gänzlich ohne Karbonisierung aus.
Doch auch unter den hellen Vertretern der Zunft befand sich nur das Beste vom Besten. Immerhin waren auch einige der größten NEIPA-Spezialisten von der Ostküste der USA mit am Start, darunter Other Half Brewing aus Brooklyn, NYC und Trillium Brewing aus Boston, Massachusetts. Erstere brachten viele Double Dry Hopped (DDH) Biere des New England-India Pale Ale-Stils mit und Trillium hatte gleich zu Beginn des Festival zwei seiner Klassiker am Hahn: das brutal gehopfte Fort Point Pale Ale, mit geschmeidigen 6,6 % Alkohol, und das Affogato, ein mit Kaffeebohnen eingebrautes Imperial Stout. Auch hier wurden sehr hohe Bewertungen von uns verteilt.
Kommen wir zu den sauren Vertretern. Auch hier war das Festival super aufgestellt. Es gab leckere sowie fruchtige Berliner Weisse, eingebraut mit Guave, und ebenfalls fruchtbetonte aber sehr saure Gosen von J. Wakefield Brewing aus Miami, Florida zu probieren. Nur eine von mehreren positiven Neuentdeckungen auf dem Festival. Eines der besten seiner sauren Zunft war wohl das Fuzzy Blend #2, ein Lambic, das ebenfalls den Kesseln von Side Project entstammte. Es ist quasi die amerikanische Antwort auf das Cantillon Fou‘ Foune: ebenfalls Aprikose-Pfirsich-fruchtig, aber nochmal eine Spur saurer als der große Bruder aus Brüssel. Natürlich hatte auch Mikkeller aus Dänemark sehr schöne saure Biere mitgebracht. Darunter konnten vor allem das Spontanquadrupelraspberry und das Spontanpentadrupleblueberry mehr als überzeugen. Wie konnten uns zwar vorher nicht wirklich vorstellen, wie letzteres schmecken soll, aber auch hier gab es dann eine sehr hohe Wertung von uns. Um es nur kurz zu beschreiben: es mundete wie ein intensiver fruchtsaurer Blaubeerfruchtsaft.
Der Bierstil des Saison hat seinen Ursprung bekanntlich in Belgien. Dort vermutet man dann auch die höchste Kompetenz und die besten Vertreter des Stils in diesem Bereich. Allerdings mussten wir feststellen, dass die Amerikaner auch in diesem Punkt den Europäern langsam aber sicher den Rang ablaufen. Die Saisons von Sante Adairius Rustic Ales aus Capitola, Kalifornien beispielsweise waren nicht nur hefig und getreidig, sondern auch unglaublich komplex aber dafür jedoch umso saurer als seine belgischen Pendants. Es ist schon bemerkenswert wild und funky was da in Übersee gebraut wird.
Eine weitere Überraschung: es gibt sogar Cider in Weltklasseformat! Mit Vergnügen testeten wir uns durch das Angebot von Slim Pickens Ciders & Mead aus Tampa, Florida/Helsingborg, Schweden. Deren Cider hatten eine beeindruckend fruchtige Note, ohne dass dabei eine primär apfellastige Säure mit präsent gewesen wäre. Teilweise war kaum herauszuschmecken, dass es sich in unserem Glas gerade um einen Cider handelte – sehr faszinierend und auch noch total lecker. Es könnte jetzt hier an dieser Stelle immer so weiter gehen. Bei diesem durchweg starken Portfolio der Brauereien geben wir Euch einfach noch einen kurzen Überblick, der von uns spezifisch ausgewählten Top-Brauereien sowie der Geheimtipps, am Ende dieses Artikels informativ mit an die Hand.
Trotzdem wollen wir noch gerne die einzige deutsche Brauerei des Festivals erwähnen. Was regelmäßig auf dem Borefts Bierfestival der Stand von Gänstaller Bräu ist, das war auf der Beavertown Extravaganza der Stand von Mahrs Bräu aus Bamberg. Zwischendurch mal das eine oder andere stets lecker süffige Kellerbier a U oder auch eine schöne Festtags Weisse – ja, so lässt es sich doch aushalten.
Zum Thema Essen müssen wir auch unbedingt noch loswerden, dass es wohl das Beste Streetfood gewesen ist, dass wir jemals auf einem Bierfestival bekommen haben. Zur täglichen Einstimmung ins Festival gönnten wir uns erstmal für £ 7,50 drei Austern. Egal ob frisch oder überbacken, in beiden Fällen waren wir begeistert. Auch die anderen Gerichte, seien es Burger, Burritos, Ochsenbrust, Crawfish, gebackene Zwiebeln oder Smoked Chicken, haben uns durchweg sehr gut geschmeckt und waren jeden einzelnen britischen Pfund wert.
Fazit:
Ein Line-Up das seinesgleichen sucht, Biere weit jenseits des grauen Mittelmaßes, ein Foodcourt mit hochwertigen wie außergewöhnlichen Speisen und eine dem Rahmen entsprechende Location. Die Qualität war auf einem wirklich einmaligen sowie besonderes hohem Level. Selbstverständlich gibt es nach einer solchen Premierenveranstaltung auch immer ein paar Dinge anzumerken, die optimiert werden könnten. Für das nächste Jahr sollte der Veranstalter vielleicht mal eine Investition in hochwertigere Biertischgarnituren wagen. Alles in allem können wir allerdings mit Fug und Recht behaupten, dass die Beavertown Extravaganza das exzeptionellste Bierfestival war, auf dem wir jemals unserer Bier-Leidenschaft frönen durften.
Top 5 Hype-Brauereien: | Geheimtipps: |
Other Half Side Project Trillium Sante Adairius J. Wakefield |
Green Cheek Beer Slim Pickens Cider & Mead Arizona Wilderness Casita Brewing Bagby Beer Company |
Alle teilnehmenden Brauereien: | |
3 Floyds Brewing Co.
40ft Brewery
Alesmith Brewing Company
Alesong Brewing & Blending
Arizona Wilderness Brewing Co.
Bagby Beer Company
Basqueland Brewing Project
Brew By Numbers
Beerbliotek
Bell’s Brewery
Bellwoods Brewery
Birrificio Del Ducato
Boneyard Beer
Brekeriet
Brewdog
Brewski
Brouwerij Alvinne
Brouwerij Kees
Burning Sky
Buxton Brewery
Casita Cerveceria
Cellarmaker
Cigar City
Cloudwater Brew Co.
Crooked Stave Artisan Beer Project
Dieu du Ciel
Dogfish Head Brewery
Dry & Bitter Brewing Company
Dugges
Evil Twin
Firestone Walker
Firestone Walker Barrelworks
Garage Project
Gueuzerie Tilquin
Hair of the Dog
Hawkshead Brewery |
Heretic Brewing Company
J. Wakefield Brewing
Jester King Brewery
Lervig Aktiebryggeri
Lost & Grounded
Lost Abbey
Loverbeer
Magic Rock Brewing
Mahr’s Bräu
Mikkeller
Mikkeller San Diego
Modern Times Beer
Naparbier
New Belgium Brewing Company
Olivers Cider & Perry
Omnipollo
Other Half Brewing Company
Partizan Brewing
Pizza Port
Pohjala Brewery
Pressure Drop Brewery
Redchurch Brewery
Sierra Nevada Brewing Company
Siren Craft Brew
Slim Pickens Cider & Mead
Stillwater Artisanal
Stockholm Brewing Company
Stone Berlin
The Kernel Brewery
Thornbridge Brewery
Three Weavers Brewing Company
To Øl
Trillium Brewing Company
Warpigs Brewpub
Wild Beer Co.
Wylam Brewery
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alle Fotos: Alexander Fiegen (alias Hopfenjünger „Figograf“)
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