Die ehrlichste Verkostung eines Bieres ist die Blindverkostung. Sobald man eine Flasche Bier einer Brauerei in die Hand nimmt, hat man im Kopf eine Erwartungshaltung. Ist es eine Marke, der man grundsätzlich positiv gegenüber steht oder kommt dieses Getränk aus dem Hause einer Brauerei, die man nicht mag? Welche Erwartungen habe ich an das Bier selbst? Erwarte ich einen Knaller, der mich dann enttäuscht oder erwarte ich ein schwaches Bier, was mich eventuell positiv überrascht?
Diese Situation ließe sich problemlos auf andere Felder übertragen. Unlängst ergab der ARD-Markencheck, dass bei einer Vergleichsprobe die Ergebnisse von Laufshirts in differenzierten Bewertungskategorien durch die Bank weg positiver ausgefallen sind, nur weil die Probanden glaubten, Markenware von Adidas zu tragen im Vergleich zu einem namenlosen Sportartikelhersteller. In Wirklichkeit hatten die Testerheber die drei Adidasstreifen auf die Hemden genäht.
Aber zurück zum Bier: All diese ablenkenden Faktoren sind verschwunden, wenn man nicht weiß, welche Marke hinter dem Getränk steht. Wir haben das mit Weißbier ausprobiert.
Die getesteten Biere
Der gemeine Kunde, und damit meine ich die marktrelevante Masse der Käufer in Deutschland (oder das, was die Industrie dafür hält), erwartet bei Weißbier bestenfalls ein bayrisches Klosterweizen. Unter dem Dach der Bitburger Braugruppe erfüllt diese Vorgabe vom Namen her das Benediktiner Weißbier. Den klangvollsten Namen unter den Weißbieren hat womöglich Weihenstephan. Daneben ebenfalls aus Bayern, aber diesmal ohne Mönch, das Schneider WeisseTap 7 – von uns ausgewählt, weil Schneider eine tolle Weißbiervielfalt bietet. Dann noch das Weißbier von Oettinger und von unserer verehrten kleinen Trierer Hausbrauerei: das Kraft Bräu Weizen.
Vier Hopfenjünger versuchten sich an dem Test: Figo, Basi, Marco und meine Wenigkeit. Und dann standen sie da – fünf Gläser hefeduftenden Bieres. Beim Ausschank hat unsere Testführerin Claudi darauf geachtet, alle Flaschen komplett mit dem Bodensatz der Hefe auszuschenken, und hat dann daraus die fünf Gläser gefüllt. Welche Brauerei hinter welchem Glas steckt, das wusste zu diesem Zeitpunkt nur Claudi – wir vier waren ahnungslos.
Als erstes fällt auf: Huch? Ist unter die zu verkostenden Biere ein dunkles Weizen gerutscht? Eins der Biere ist deutlich dunkler als die anderen, und ein weiteres eher bräunlich matt. Die Ergebnisse waren unterschiedlich – die blinde Markenzuordnung mehr als durchwachsen. Trotzdem gibt es bei uns vier Testern drei Aussagen.
Aussage 1:
Testsieger: Kraft-Weizen: Dieses Bier hat definitiv im Schnitt am besten abgeschnitten! Kein Wunder eigentlich: Immerhin konnte das Kraft-Weizen eine Silbermedaille bei der 2. Meiningers International Craft Beer Award einheimsen.
Aussage 2:
Überraschungsbier: Oettinger. Mit welcher Erwartung trinkt man das Bier der „Billigmarke“? Erwartet man einen Knaller? Doch im Blindtest zählt nur das Aroma und der Geschmack. Ich hatte es aufgrund seiner beerenfruchtigen Nase sogar als bestes Weizen auserkoren. Auf jeden Fall hat es besser als erwartet abgeschnitten.
Aussage 3:
Testverlierer: Benediktiner! Dieses Bier bekam im Schnitt die schlechtesten Platzierungen. Ein bayrischer Mönch alleine macht eben alleine keinen guten Geschmack.
Die Testergebnisse im Detail:
Wie die Grafik deutlich zeigt, fiel bei uns allen die blinde Markenzuordnung sehr durchwachsen aus. Aber man kann festhalten, dass eine Blindverkostung SEHR interessant ist. Man konzentriert sich auf das Wesentliche und wird nicht durch das unterbewusste Markenvorurteil beeinflusst. Ich kann das jedem nur empfehlen, mal in einer Blindverkostung verschiedene Biere gegeneinander antreten zu lassen. Man wundert sich über vermeintliche Gewissheiten, die ins Rutschen geraten. Wir werden das in ganz sicher mit anderen Bieren wiederholen, beim nächsten Mal vielleicht mit Pilsenern.
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