Es war mal wieder soweit: Ein gemeinsamer Verkostungsabend in der Festung Meyer stand an. Neben einer beachtlichen Anzahl an hochkarätigen Bieren und leckerem Essen wollte meine Wenigkeit noch für etwas Abwechslung sorgen. Und so kam es, dass ich die anwesenden Damen und Herren zu einer Blindverkostung lud. Maisel & Friends Jeff’s Bavarian Ale, ein Weizenbock mit 7,1%, stand auf dem Programm. Nicht zwingend etwas Außergewöhnliches, mag man denken. Doch dieser Bock sollte für einige Überraschungen sorgen und selbst gestandene Biersommeliers auf die eine oder andere Art beeindrucken.
Wenige Monate zuvor, an Johannes‘ Geburtstag, hatten wir das Bier bereits einmal gemeinsam verkostet. Damals fiel mir bereits die recht ungewöhnliche, interessante Aromatik dieses Oberfranken auf, die nur ganz dezent an einen klassischen Weizenbock erinnert: Helle Früchte, Beeren, eine leichte Säure und eine würzige Nussigkeit meinte ich zu erkennen. Die typischen Nelken- und Bananenaromen waren zwar vorhanden, allerdings zweitrangig. Mir persönlich etwas zu wenig Kohlensäure. Aber gut, Kohlensäure und ich – das ist ein spezielles Thema.
Alle waren bester Laune und auf der Terrasse versammelt, bereit für mein Überraschungsbier. Beim ersten Hineinriechen waren sich die Meisten in der Runde schnell einig: leicht süßlich und typische Hefenoten, die unmittelbar an belgische Biere erinnern. Ja gut, ein paar hundert Kilometer daneben, aber man darf ja zum Glück auch mehrmals riechen und schmecken. Ein Bier aufgrund seiner prägnanten Hefe- und Süßenoten in eines DER Bierländer überhaupt zu verfrachten, ist sicher nicht der schlechteste Start. Dann fing eine geruchliche und geschmackliche Assoziationskette an, die ich in diesem Ausmaß nicht erwartet hätte. O-Ton eines anwesenden Biersommeliers: „Ganz feine Säure, schöne beerige Noten. Minimale Kohlensäure, die alles gut unterstützt. Ganz toller Malzkörper. Eine schöne Alkoholnote spürt man ganz leicht. Ein Flemish Sour Ale vielleicht“. SO sauer fand ich es zugegebenermaßen nicht (die Säure ist – wie erwähnt – sehr fein eingebunden), als dass ich in diese Stilrichtung gegangen wäre, aber ich wusste schließlich auch, dass es sich nicht um diese Bierart handelt.
Der Rest der Truppe war sich uneinig und erkannte abwechselnd malzige, hopfige, kirschige und sogar Lakritznoten. „Nach dem Reinheitsgebot? Die Süße ist schön und präsent, da ist bestimmt Zucker drin“. Ist natürlich keiner drin. Auch in Kommentaren auf Untappd und Ratebeer liest man die unterschiedlichsten Geschmackseindrücke: Pfirsich, Melone, Traube, Pfeffer, Schokolade…da ist wirklich alles dabei. Verblüffend. Natürlich ist das bei sehr vielen Bieren so, aber bei einem Weizenbock aus Bayern erwartet man das nicht unbedingt, dass er so (positiv) aus dem Ruder läuft. In einem Aspekt war man sich in unserer Runde zum großen Teil einig, auch wenn nicht jeder absolut begeistert war: Es handelt sich hierbei um ein komplexes und spannendes Bier, das einige interessante Nuancen in sich trägt. Als ich den Schleier hüllte, ging ein Raunen durch die Reihen. Maisel&Friends? Ein Weizenbock?? Darauf wäre in zehn Jahren niemand gekommen.
Aus dieser Blindverkostung lassen sich jetzt verschiedene Schlüsse ziehen. Man könnte dem Bier unterstellen, es habe recht wenig mit seinem vorgegebenen Stil zu tun oder dieser wäre unzureichend getroffen – dabei ist er mit „moderner Weizenbock“ ohnehin sehr weit gefasst. Meiner Meinung nach wäre das jedoch die falsche Herangehensweise, denn letztendlich geht es – zumindest mir persönlich – immer um den Geschmack und die „Spannung“ (durch verschiedene Eindrücke, die man bei jedem neuen Trinken bekommt), die ein Bier innehat. Und dies war bei Jeff’s Bavarian Ale nun einmal der Fall. Die Einhaltung des Stils ist wichtig, aber für mich gerade bei derartig überraschenden Bieren irgendwo zweitrangig.
Und wer weiß… eine andere Runde hätte vielleicht bereits bei dem ersten Eindruck einen Weizenbock erkannt, vielleicht sogar die Brauerei erraten. Es soll hier nicht um eine Lobeshymne für genau dieses Biergehen. Diese kleine Anekdote soll beispielhaft dafür stehen, dass vermeintlich Altbekannte einen doch das ein oder andere Mal überraschen können – gerade in einer Blindverkostung ohne positive oder negative Vorurteile.
Damit wurde erneut klar: Eine Blindverkostung ist die ehrlichste und interessanteste Art, ein Bier zu probieren. Kein Mensch ist immun gegen die großen Namen der Craftbierwelt. Liest man Mikkeller, Firestone Walker oder Rochefort auf dem Etikett, hat man automatisch eine Erwartungshaltung, die sich sehr schwer komplett abstellen lässt. Doch auch andersrum: Weiß man nicht, dass Oettinger im Glas ist, schimpft man vielleicht nicht so sehr über dieses Bier, wie wenn man es bei Betrachtung des Etiketts zweifelsfrei täte.
Was lernen wir daraus? Gerne mal öfter in kleiner oder großer Runde ein Bier ausschenken und die Herrschaften fröhlich blindraten lassen. Das schult die Sinne, ist möglichst objektiv und macht zudem ungeheuren Spaß. Probiert es aus, es lohnt sich absolut. Wir Hopfenjünger werden das Blindtasting auf jeden Fall regelmäßig machen und euch hier daran teilhaben lassen. Bis zum nächsten mal!