Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. So und in abgewandelter Form sagt es der Volksmund, den es auch in Krisenzeiten, allen Widrigkeiten zum Trotz, oder gerade deswegen, weiterhin nach dem goldenen Gerstensaft dürstet. Die Betriebe stellen sich darauf ein, sind ihnen doch (über)lebenswichtige Umsätze weggebrochen, und verlegen die Absatzmärkte durch virtuelle Tastings kurzerhand in den digitalen Raum. Dabei spielt auch die Biercommunity selbst eine wichtige partizipierende Rolle.
Die derzeitige Situation im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich ist beispiellos in unserer Geschichte. Dies trifft natürlich auch die Brauereien des Landes. Vor allem Klein- und Kleinstbetriebe sind in ihrer Existenz stark bedroht. Neue Wege müssen daher eingeschlagen werden. Ein Instrument der Distribution ist dabei vor allem das Internet. Der Online-Handel war bereits vor dem Ausbruch der Corona-Krise ein Geschäft mit hohem Wachstumspotenzial und wurde bisweilen auch von Brauereien gerne genutzt. Doch derzeit scheint sich die gesamte Bierbranche ins Digitale verlagert zu haben.
Online-Shops und Versand als wichtiger Faktor
Die Brauer überschlugen sich gerade zu Anfang der Krise mit Angeboten, um ihre Biere an die Kundschaft zu bringen. Wer will es ihnen auch verdenken: Bei vielen Betrieben brachen die Einkünfte im Gastrobereich komplett weg und die Hauptsaison steht nun vor der Tür. Die Biere sind jedoch schon eingebraut und schlummern in den Tanks vor sich hin. Daher haben sich viele Brauereien entschieden, auch ihre saisonalen Spezialitäten abzufüllen oder Biere, die es normalerweise nur vor Ort vom Fass zu trinken gibt. So geschehen mit dem Ungespundeten Hellen von der Brauerei Spezial aus Bamberg oder mit dem Maibock von Kraft Bräu aus Trier. Letzterer wurde feierlich mit einem digitalen Maibockanstich im Trierer Blesius Garten begangen. Diese jährliche Tradition wollte sich die Brauerei nicht nehmen lassen. Erwerben konnte man das Bier vorab im Lagerverkauf. Auch lokale Craftbrauereien wie Orca Brau aus Nürnberg, Blech.Brut aus Bamberg oder Sudden Death Brewing vom Timmendorfer Strand boten Vergünstigungen beim Versand oder gleich auf die gesamte Bestellung an. Und für alle Bierfranken-Liebhaber wird dann in Kürze der Biershop-Franken mit diversen Klassikern an den Start gehen.
Digitale Verkostungen immer beliebter
Virtuelle Tastings sind nicht nur für Brauereien, sondern auch für Bierbars eine gute Möglichkeit, um Kundenkreise zu halten und sogar zu erweitern. Hierzu haben einige Bierbars schnell reagiert und sich temporär zu einem Biershop umgewandelt. Der Kunde kann sich somit vor Ort sein Bier kaufen und mit nach Hause nehmen. Teilweise wird sogar ein Lieferservice angeboten. Für die Verkostungen wird wiederum eine spezielle Box zusammengestellt, die man auch online bestellen kann. Zu fixen Terminen treffen die Kunden dann auf gängigen Plattformen im virtuellen Raum auf die Bierenthusiasten, Bierbrauer sowie Bierblogger und die Biere werden entsprechend der Reihenfolge von der Community präsentiert. Somit können sich hier Brauer und Kunde in Zeiten von social distancing begegnen und austauschen. Einige Vorreiter in dem Segment sind derzeit die Craftprotz Kreativbierbar aus Trier, die Alte Posthalterei aus Lingen, Craft Beer Rockstars aus Lübeck, Brauerei Überquell aus Hamburg oder Brauerei Welde aus Plankstadt. Auch die Störtebeker Braumanufaktur aus Stralsund stellte ihre neueste Kreation, das Mittsommer-Wit, in einer Video-Verkostung vor. Darüber hinaus entstehen viele Kooperationen der Brauereien untereinander. So fand unter dem Motto „DisTanz in den Mai“ ein hanseatisches WebBierTasting mit acht teilnehmenden lokalen Brauereien aus Hamburg statt.
Virtuelle Biertalks und Bars in den sozialen Netzwerken
Einfach mal über Biere oder Gott und die Welt schnacken bei einem kühlen Gebräu und die damit verbundene soziale Komponente, ist sicher ein Bereich des täglichen Lebens und Miteinanders, den viele vermissen. Da können solche digitalen Biertalks oder virtuelle Treffpunkte immerhin etwas Abhilfe verschaffen. Natürlich steht hier auch das Thema Bier im Mittelpunkt: Bei den Biertalks sind zumeist zwei oder mehr Experten aus der Bierwelt in einem Gespräch zugeschaltet. Dies praktiziert Beyond Beer/Brausturm aus Hamburg mittlerweile in regelmäßigen Abständen. Stargäste waren u.a. schon Mikkel Borg Bjergsø (Mikkeller) oder Henok Fentie und Karl Grandin (Omnipollo). Auch Blogger sind bei dieser Form des Netzwerkens vertreten, wie z.B. der Craftbeer-Bayer mit seinem „Virtual Pub Club“ oder die HoppiThek mit dem „Open Beer Talk“ und ebenfalls wechselnden Gästen. Und auch nach offiziellen digitalen Tastings, wie denen vom Craftprotz aus Trier, wird danach die virtuelle Bar für alle Teilnehmer geöffnet. Geburtstage wurden ebenfalls schon online begangen: Die Kehrwieder Kreativbrauerei aus Hamburg feierte den „Hoppy 7th Beersday“ ihres Prototyp mit einem Livestream.
Premiere: Bierfestivals gehen online
Viele Bierfestivals und Fachmessen werden dieses Jahr nicht stattfinden. Das ist vor allem für passionierte Festivalgänger, mit Kontakten rund um den Globus, der absolute Super-GAU. Aber Großveranstaltungen gelten nun mal als potentielle Viren-Drehkreuze. Da liegt die Lösung natürlich nahe, auch solch ein Event ins Digitale zu verlegen. Ob das funktionieren kann? Der Kraftpaule aus Stuttgart ist jedenfalls mutig genug, dies umzusetzen und bietet jetzt im Mai das „1. Online Craft Beer Festival“ an. Ein Bierfestival in dieser Form ist weltweit bisher wohl tatsächlich einzigartig. Die Veranstaltung wird über drei Tage mit 20 Brauereien stattfinden und das nationale sowie internationale Lineup kann sich durchaus sehen lassen. Auch bei diesem Konzept kann man sich die Biere zum Verkosten in sogenannten Themenboxen bestellen. Es soll zudem noch ein Rahmenprogramm mit Musik und Entertainment geben.
Was bringt die Zukunft?
Auch wenn ein Ausblick gerade in diesen Zeiten nicht nur schwer, sondern nahezu unmöglich ist, so kann man doch festhalten, dass auch der digitale Bereich bei den Brauereien noch stärker in den Fokus rücken wird. Ein Konzept wie virtuelle Tastings, das sich durchaus bewährt hat, könnte auch nach der Krise weiterhin nachgefragt werden. In deutlich geringerer Anzahl versteht sich. Denn dies ist kein Vergleich zu einer Bier-Verkostung, bei dem sowohl die Teilnehmer als auch die Referenten physisch anwesend sind. Die Dynamik einer solchen Veranstaltung ist nämliche eine gänzlich andere. Die ersten Lockerungen der Maßnahmen stehen vielleicht schon bald bevor. Hoffen wir alle das Beste.
Weitere Berichte zum Thema sind beim Trierischen Volksfreund und der IHK-Trier online abrufbar.
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